Nach dieser Definition kann – und sollte – das Sampling auch als elementarer Bestandteil jeder Art von Kultur (mit eben Musik als einer ihrer komprimiertesten Ausdrücke) verstanden werden. Vom Kulturverständnis ganzer Nationen1 über die Alltagskultur bis hin zu Subkulturen: ohne das ständige Übernehmen, um es wertfrei zu formulieren, und Um- und Einarbeiten in bestehendes hätte es sicher keine Evolution von Kulturen gegeben.2

Gerade in Form von Kulturgütern kann man die Auswirkungen des Samplings direkt erfahren, und um mit dem Beispiel der Musik fortzufahren (an dessen Stelle aber genauso Software-Patente stehen könnten): Nahezu die gesamte Popkultur baut auf Sampling, Cover und Interpretation von bereits da gewesenem auf.

Nicht sehr verwunderlich stößt das in einer Gesellschaft, die „geistiges Eigentum“ als Macht- und Handelsinstrument betrachtet, immer wieder auf Kontroversen, und das nicht nur bei den Eigentümern und insbesondere den Verwertern von geglaubtem „geistigen Eigentum“, sondern auch bei Individuen, die an diesen Kulturgütern teilhaben.

Statt aber zu akzeptieren, dass das Sampling nun mal stattfindet und eben Teil jeder Art von Kultur ist, und darauf aufzubauen, dass jemand denkt, dass das eigene Werk es wert ist in Teilen zitiert zu werden, und sich gegebenenfalls neue Möglichkeiten der Vergütung zu überlegen, entstehen aus kognitiven Dissonanzen die interessantesten Ansätze, um persönliche Ansprüche, wie auch immer geartet, zu rechtfertigen und einen konstruktiven Diskurs zu unterbinden.

Ich gehörte früher auch zu denen, die sich über das Sampling aufgeregt haben, bis ich eben begriffen habe, warum es auf Aggregatebene sogar gut ist: Am Ende profitiert die Allgemeinheit davon.

Für den einzelnen, ursprünglichen Urheber, aber auch für den, der samplet, hat das andere Auswirkungen, unbestritten. Der Urheber kann sich jedoch ohnehin nicht gegen Sampling wehren 3, und sollte sich vielleicht lieber darüber Gedanken machen, welche Implikation sein Schaffen hat, wenn er es in die Welt stellt. Der Anspruch auf Eigentum am eigenen Werk ist nicht abzustreiten, man kann aber auch davon leben, ohne die Rechte daran auf die abenteuerlichsten Weisen durchsetzen (es anderen unterbinden) zu wollen.

Den Major Labels, gemein hin als Musikindustrie bezeichnet, sollte in diesem Zuge auch eigentlich klar sein, dass die Interessen der Allgemeinheit eindeutig die (finanziellen) Interessen einiger weniger überwiegen4, und schließlich ihre gesamte Maschinerie auf Kulturgut aufbaut – und nicht umgekehrt.

Moralisch, das sei allerdings an dieser Stelle genau so erwähnt, sollte man sich als „Übernehmer“ sehr wohl dazu äußern und dem Urheber des zitierten Werkes und eben dem Werk Tribut zollen.5 Natürlich werden sich nicht alle daran halten, im schlimmsten Fall das Zitat als eigenes Werk ausgeben, aber deswegen darf es nicht anderen verboten werden, auch wenn es bestimmt unzufriedenstellend für den Urheber sein kann. Wenn allerdings anfangen wird, besonders gewerbsmäßig die Werke anderer in einem Maße zu zitieren, das eine eigene Schöpfung nicht mehr erkennbar ist (es eben ein Cover ist), greift das natürlich nicht mehr ohne Weiteres und der Urheber sollte entsprechend am Gewinn teilhaben dürfen. Aber auch hier sollte dem Schaffenden klar sein, dass Kulturgüter keine exklusiven Konsumgüter sind und sein können, und es offenbart sich das Problem des „geistigen Eigentums“: Ein reines Konsumieren ohne Verarbeitung (wie auch immer diese aussieht) ist ohnehin nicht möglich.

Und denen, die das Sampling auf persönlicher Ebene stört, sei dann auch noch gesagt: „Was dem Urheber/Verwerter seine Angst an Verlust von Exklusivität (meistens realisiert durch Einnahmen) ist, ist dem Sampling abgeneigtem Musikfreund sein elitäres Gehabe.“ Schließlich ist es eben oft genau das Sampling, dass einen neuen (musikalischen) Einfluss einer Zuhörerschaft eröffnen kann, die sich damit vielleicht sonst nicht beschäftigt hätte, sie es dann tut und es ihr gefällt.

Fußnoten

  1. Zum Beispiel in Form des Integrations- oder gar Assimilationsverständnisses. ↩︎
  2. Als Beispiel einer Hochkultur sei mal das römische Reich genannt. ↩︎
  3. Es könnte zwar vielleicht juristisch untersagt werden, aber nur, weil es nicht sein darf, wird es nicht aufhören zu passieren. ↩︎
  4. Aals kleinen Ausflug empfehle ich diesen Kommentar, insbesondere zur Verhältnismäßigkeit des „Anspruchs“ und dem Wunsch seiner Durchsetzung. ↩︎
  5. Deswegen mag ich die Creative Commons↩︎