Im Kontext der Ich-Entwicklung taucht auch die Maslowsche Bedürfnishierarchie auf, deren gängigste Interpretation wohl eine der bekanntesten Pyramiden (mit Text drin) ist. Allerdings merkte Maslow selbst an, dass das so vielleicht nicht ideal ist.

Denn dieses zweidimensionale, dreieckige Modell deutet darauf hin, dass es einen Punkt gibt, der besonders wichtig ist und an dem wir damit beginnen, unsere Bedürfnisse zu befriedigen, und einen Punkt, der eher wie ein i-Tüpfelchen wirkt, an dem wir am Ende ankommen (können).

Nur stimmt das nicht wirklich, dass unsere Bedürfnisse Maslows Hierarchie der „Präpotenz“ folgen, bei der einige Bedürfnisse immer Vorrang vor anderen haben, oder dass eben das eindimensionale Erklimmen der Pyramide von unten nach oben das „alleinige Wirkprinzip“ auf dem Weg zur Selbstverwirklichung oder auf umgekehrten Weg die Regression in unsere Grundbedürfnisse darstellt.1 Maslow schrieb dazu:

„Die Selbstverwirklichung reicht nicht aus. Das persönliche Heil und das Wohl einer Person allein kann nicht wirklich in Isolation verstanden werden. Das Wohl anderer Menschen muss ebenfalls berücksichtigt werden, genauso wie das eigene Wohl. Es ist offensichtlich, dass eine rein interpsychische individualistische Psychologie ohne Bezug zu anderen Menschen und sozialen Bedingungen nicht ausreicht.“

In dem seeeehr interessanten Artikel „Could the Blackfoot Wisdom That Inspired Maslow Guide Us Now?“ schlägt Cindy Blackstock deshalb vor, einen Kreis daraus zu machen, denn es ist, wie ein Freund das kommentierte, eine …

„… sehr gute Idee, das als Zirkel zu konzipieren, total plausibel! Und entlastet von der Kritik an der Reihenfolge der Pyramide! Und wenn man unter ‘Self actualization’ die Homöostase packt, ist auch diese Umstellung einfach.”

Das wiederum brachte mich auf einen anderen Gedanken, denn eiiiigentlich sagt der Zirkel (mit Text drin) schließlich, dass da ein Kreislauf drin steckt; dass es zwar keinen Anfang und kein Ende gibt, aber die Sachen auch da „nacheinander“ ab- und aufgearbeitet und vielleicht auch nichts übersprungen werden kann. Nur ist da schon offensichtlich – schon nur metaphorisch gesprochen: so zweidimensionale Wesen sind wir doch gar nicht. Wahrnehmung und Navigation wie in Flatland?

Derselbe Freund würde daher vielleicht eine Aktualisierung mit einer Fuzzylogik vorschlagen, wobei ich dann wohl direkt zwei, drei Schritte weiter gehen würde. Einfach zusätzlich räumlich(er) denken – mehr Dimensionen hinzufügen! Denn dann ist nicht nur „springen“ möglich:

Um den Einfluss von und zu den „anderen Menschen“, die Maslow erwähnt, darstellen zu können und, um die latente Gleichzeitigkeit der Quadranten des Kreises2 sowie ihre relativen quanti- und qualitativen Ausprägungen zu beinhalten … Ach, was soll der raumdimensionale Geiz: alles „einfach“ direkt in einen KoskoHyperwürfel (mit Text drin) packen!

Denn da gibt’s nicht nur Fuzzy, mehrere Dimensionen (sich auf einem Zirkel zu bewegen sind ja schon zwei, drüber springen macht die dritte, aber trotzdem auf mehreren Stellen gleichzeitig zu sein oder, dass andere Punkte gleichzeitig auf einer Stelle in den drei vorherigen sein können, eine vierte, und so weiter), sondern auuuuuch implizit noch Zeitdimensionen, denn die Zeit spielt da ja auch eine nicht unwesentliche Rolle. Herrlich! Okay, okay, selbst wenn der Hyperwürfel für die „Einfachheit“ um die Fuzziness reduziert würde, wäre es noch immer ein Hyperwürfel.

Die Vorstellung und das Gedankenexperiment jedenfalls machen mir nicht nur viel Spaß, sondern zeigen vor allem eines besonders deutlich durch eine geometrische Darstellung: dass Themen selbst in ihrer scheinbaren Schlichtheit und Eleganz schnell arschkomplex werden können, je mehr man sich ihnen nähert. Das zu „die Karte ist nicht das Gebiet“, und vor allem zur Beantwortung der Frage, wann ein Modell überhaupt nützlich ist, oder für die Fuzziness vielleicht besser, „ungefähr von wo bis wo“.3

Und mir ist natürlich klar, dass ein Hyperwürfel in einem Buch nicht qualitativ abgedruckt werden könnte, oder sich selten jemand die Mühe machen würde, den Zirkel auf dem Papier zur Veranschaulichung im wahrsten Sinne des Wortes im Raum zu falten.

Um aber auf den Titel dieses Posts noch zurück zu kommen: Das Gedankenexperiment lässt sich auch wunderbar dann auf geometrische Darstellungen anderer Modelle übertragen. Denn neben der Pyramide sind noch eben der Kreis, der Zirkel und die Schleife beliebt, oder die Spirale. Aus der Schleife könnte dann ein Möbiusband werden, um die über den Zeitraum des „Abarbeitens“ der Schleife verstrichenen Zeit und dadurch einhergehende andere Sicht auf dieselbe Sache zu zeigen (wie wäre es zum Beispiel mit einem Subjekt-Objekt-Wechsel). Oder, um dimensional noch mehr zu eskalieren, eine Kleinsche Flasche, um Selbstreferenzialität zu beinhalten.

Aber, Ben, haben denn diese Gedankenexperimente überhaupt einen praktischen Nutzen? Ja, denn das ist ein Fazit dieses Posts, besonders für alle, die mit Modellen arbeiten:

Das tragische Problem ist, dass Konzepte, Modelle und Theorien, die inhärent nicht „zweidimensional“ beschrieben werden können, aufgrund nachvollziehbar mangelnder Nachvollziehbarkeit fast immer zum Scheitern verurteilt sind – egal wie „richtiger“ sie auch sein mögen. Selbst die Darstellungen von Spiralen sind ja eigentlich auch nur bessere zweidimensionale Ping-Pong-Darstellungen auf dem Weg „nach oben“, die nur zeigen wollen, dass es auch geradewegs wieder runtergeht, ohne Ping oder Pong.

Schließlich sind wir da eben noch laaaaaange nicht in einer echten dreidimensionalen Beschreibung. Oder, eben, hach, in meinem geliebten Hypercube.

Da ist der Mensch nicht für gemacht, nicht in der raumzeitlichen Wahrnehmung, und uns fehlt das Vokabular, entsprechend kommunizieren zu können. Mal darüber nachdenken, eine Sprache zu entwerfen, die so etwas abbilden kann? Esperanto estas tro enuiga longtempe. Nun denn.

Fußnoten

  1. Ich glaube, es gibt nur eine einzige korrekte eindimensionale Darstellung in diesem gesamten Themengebiet: Geburt → Tod. ↩︎
  2. Keine Quadratur des Kreises. Raucht der Kopf schon? ↩︎
  3. Die „Pyramide“ wird deshalb eigentlich auch nur eingangs in entsprechender Literatur gezeigt, eben genau deshalb. ↩︎