Mitgefühl ist einer der wesentlichen Motivationen für Altruismus. Eine weitere Motivation für Altruismus ist Angst.
In diesem Fall ist Altruismus ein Schutz unseres Egos, eine Form der Verarbeitung, bei der wir mit unseren Problemen und Ängsten fertig werden, indem wir aus uns selbst heraustreten und anderen helfen.
Wenn sich etwa Menschen in altruistischen Berufen auf die Bedürfnisse anderer konzentrieren, kann es passieren, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse verdrängen und in den Hintergrund stellen, wo sie leichter ignoriert und vergessen werden können.
Daher können Menschen, die sich um pflegebedürftige Menschen oder Kinder kümmern, tiefe Angst und Bedrängnis erleben, wenn ihnen diese Rolle plötzlich weggenommen wird.
Unabhängig von der Motivation ist Altruismus allerdings gut für uns selbst.
Auf kurze Sicht hinterlässt ein altruistischer Akt bei uns ein euphorisches Gefühl. Langfristig ist Altruismus mit besserer geistiger und körperlicher Gesundheit und einer längeren Lebenserwartung verbunden. Gütige Menschen sind glücklicher, und glücklichere Menschen sind gütiger, wodurch ein Kreislauf der Selbstlosigkeit in Gang gesetzt wird.
Auf einer eher sozialen Ebene wirkt Altruismus als ein Zeichen wechselseitiger und kooperativer Absichten und auch als ein Zeichen der zur Verfügung stehenden Ressourcen – und damit des Paarungs- oder Partnerschaftspotenzials.
Altruismus eröffnet auch eine Art „Schuldenkonto“ und ermutigt andere dazu, sich mit ihren Ressourcen und Möglichkeiten zu revanchieren, die für uns potenziell von viel größerem Wert sind als die, die wir selbst gerne weggegeben haben.
Im weiteren Sinne trägt Altruismus dazu bei, unser soziales Gefüge zu erhalten und zu bewahren, das uns trägt und schützt, und das uns nicht nur am Leben erhält, sondern unser Leben auch lebenswert macht.
Wir könnten also argumentieren, dass es so etwas wie wahren Altruismus nicht geben kann und dass „sogenanntes“ Einfühlungsvermögen und Altruismus bloß Werkzeuge von Egoismus und Selbsterhaltung sind.
Wenn dem so ist, dann sind die Handlungen, die Menschen als „altruistisch“ bezeichnen, eigennützig, vielleicht, weil sie Ängste lindern, vielleicht aber auch, weil sie zu angenehmen Gefühlen von Stolz und Zufriedenheit, zur Erwartung von Ehre oder gegenseitiger Unterstützung oder zur größeren Wahrscheinlichkeit eines Platzes im Himmel oder ähnlichem führen. Und selbst wenn nichts davon zutrifft, dann zumindest, weil diese altruistischen Handlungen unangenehme Gefühle wie Schuldgefühle oder Scham, oder überhaupt nicht gehandelt zu haben, lindern.
Randbemerkung
Vielleicht trifft es zu, dass es keine „altruistische“ Handlung geben kann, die nicht ein gewisses Element von Selbstnutzen beinhaltet, doch ist sie vielleicht nicht unbedingt als egoistisch oder selbstmotiviert abzuschreiben, nur weil sie ein unvermeidliches Element von Eigennutz beinhaltet.
Dieser Text entstand ursprünglich für die zweite Version der ÜBERSCHRIFTEN.