FN 128: Der absurde System-Glitch

Systemdenken ist ein Werkzeug, das direkt aus der menschlichen Grundkondition geboren wurde: Wir sind von Natur aus Bedeutungsmaschinen, hineingeworfen in ein Universum, das von sich aus keine Bedeutung anbietet. Jedes „System“, das wir entwerfen, ist der Versuch, dieser existenzialistischen Leere eine menschliche Ordnung aufzuzwingen. Es ist eine Landkarte, gezeichnet, um im Chaos zu navigieren.

Der Glitch ist die inhärente Absurdität dieses Aktes, und er manifestiert sich in der Hybris der Architekt:innen: Sie vergessen, dass ihre Karte eine Schöpfung ist, keine Entdeckung. In dem Moment, in dem die Abstraktion mit dem Territorium verwechselt wird, kollabiert das Denken in sich selbst. Es operiert nur noch nach den Regeln einer Logik, die bloß auf dem eigenen Papier existiert.

Die Realität eines sozialen Systems ist die eines Ökosystems konkurrierender Kartografien. Es funktioniert als Kollision verschiedener Formen der Bedeutungskonstruktion, von denen jede eine eigene, in sich kohärente, subjektive Wahrheit darstellt. Diszipliniertes Systemdenken würde diese Dynamik zum Kern seiner Analyse machen. Seine popularisierte, reduktionistische Form, das bloße Mapping, behandelt sie als Störfaktor.

Genau hier, im Ignorieren dieser konkurrierenden Realitäten, liegt die Wurzel der Pathologie. Der Versuch, eine universelle Master-Karte von oben zu diktieren, von Merleau-Ponty treffend als „Höhenflug-Denken“ bezeichnet, ist zum Scheitern verurteilt. Er ignoriert, dass jede menschliche Existenz eine verkörperte, gefühlte und historisch situierte ist. Dieser Versuch, sich über die gelebte Realität zu erheben, führt direkt in den simulation trap: ein System, das sich nur noch mit sich selbst und dem Abgleich seiner internen Zeichen beschäftigt, vollkommen abgekoppelt von der Wirkung im Feld.

Die Direktive von West Churchman, „Der Systemansatz fängt an, wenn du zuerst die Welt durch die Augen eines anderen siehst“, wird vor diesem Hintergrund zur präzisen Definition des Sprungs von reduktionistischem Mapping zu authentischem Systemdenken. Es ist der methodische Ausbruch aus der eigenen Simulation. Die Haltung wechselt von der von Architekt:innen, die ihre Realität predigen, zu der von Analytiker:innen, deren primäre Aufgabe die nachrichtendienstliche Aufklärung fremder Formen der Bedeutungskonstruktion ist.

Das Gefühl der Absurdität ist damit kein Hindernis mehr. Es wird zum schärfsten Diagnosewerkzeug. Es signalisiert den Moment, in dem wir unsere eigene Schöpfung mit dem Territorium verwechseln, und wird zur Einladung, der fundamentalen Bedeutungslosigkeit mit der Neugier auf die unzähligen Karten der anderen zu begegnen.