FN 21: Der Preis der Antwort

Du siehst die Kennzahlen. Der Output deiner Junior-Ebene hat sich verdoppelt. Recherchen, Analysen, Entwürfe – alles wird mit einer neuen, fast unheimlichen Präzision geliefert. In den Gesprächen mit den Talenten fällt immer häufiger der Satz: „Ich habe die KI gefragt.“

Der Prozess des Suchens, des Verifizierens, des Verwerfens und der unerwarteten Entdeckung wird nicht mehr durchlaufen. Er wird übersprungen.

Was wie ein reiner Effizienzgewinn aussieht, ist ein Glitch mit der stillen Wucht eines demografischen Wandels: ein Vakuum, das sich im Kern deiner Operationsfähigkeit ausbreitet. Wir optimieren die Gegenwart und demontieren dabei die Fähigkeit, die Zukunft zu gestalten.

Expertise transzendiert abrufbares Wissen. Sie ist das sedimentierte Ergebnis unzähliger Zyklen aus Versuch, Irrtum und Korrektur. Du tauschst dieses anstrengende Trainingsgelände gegen einen Antwortautomaten. Der Impuls dahinter ist rational und folgt einer kalten Logik: Personalkosten reduzieren. Eine Junior-Position, deren sichtbare Kernaufgaben ein Algorithmus erledigt, wird gestrichen. Aus der Perspektive der Quartalsbilanz ist der Schritt zwingend.

Das Manöver macht die unsichtbare Funktion der ersten Berufsjahre zum Kollateralschaden: die Kalibrierung des inneren Kompasses. Die prägenden Jahre, in denen das Gehirn lernt, komplexe Muster zu erkennen und ein intuitives Gespür – ein Fingerspitzengefühl – zu entwickeln, werden aus dem System heraus optimiert.

Die Fähigkeit zur horizontalen Assoziation mag durch die Werkzeuge wachsen. Die Fähigkeit zur vertikalen, tiefen Durchdringung eines Problems verkümmert.

Die strategische Frage ist nicht, ob wir Kosten sparen, sondern welchen Preis wir für die Einsparung zahlen. Es ist die Frage, wie eine Organisation ohne tiefes, menschliches Gespür auf unvorhersehbare Krisen reagieren soll. Wie sie navigiert, wenn die Karten der Vergangenheit wertlos werden und die KI halluziniert.

Wenn ein junger Mensch auf die Frage nach seiner eigenen Synthese antwortet: „Das Beste, was ich liefern kann, ist der Output eines LLM“, ist das keine persönliche Bankrotterklärung. Es ist das Ergebnis eines Systems, das den Anschein von Kompetenz über den mühsamen Weg dorthin stellt. Das zu benennen, ist notwendige Diagnostik, bevor die Pathologie chronisch wird.

Wir wollten die Produktivität steigern. Wir schaffen eine Generation von brillanten Bediener:innen.

Die Frage sollte nicht sein, ob du das Instrument spielen lässt. Die Frage ist, wer das Repertoire kontrolliert, wenn deine fähigsten Leute nur noch einen einzigen Knopf kennen.


Vielen Dank an Patrick Riedl für das Gespräch und die Inspiration zu diesem Post.