FN 24: Der Loop vor dem Loop

300 km/h auf der Geraden, der Gegner im Windschatten, die Bremszone für die nächste Kurve rückt näher.

Was jetzt im Kopf des:der Fahrers:in abläuft, ist nicht das, was der Mythos dir verkaufen will: keine bewusste Echtzeit-Analyse der Reifenabnutzung, keine spieltheoretische Kalkulation des gegnerischen Zugs.

Das ist die Exekution eines tief verinnerlichten, über tausende Stunden kalibrierten Musters. Reine Antizipation.

Die populäre Interpretation von John Boyds OODA-Loop als reines Geschwindigkeitsrennen – schneller beobachten, schneller entscheiden, schneller handeln – ist eine gefährliche Verkürzung. Sie degradiert Strategie zu einer Management-Kennzahl und ignoriert damit den eigentlichen Motor des Zyklus.

Dieser Motor, von Boyd als Orient bezeichnet, ist die Phase, in der die eigentliche Arbeit stattfindet. Hier wird nicht die Reaktion optimiert, sondern das Betriebssystem, das deine Reaktion formt.

In der Orient-Phase betrachtest du nicht das Terrain, sondern die Karte deiner eigenen Wahrnehmung. Boyd wusste: Jedes Lagebild ist ein Konstrukt, geformt aus Kultur, Erfahrung und biologischer Prägung – der Filter, durch den neue Informationen dringen.

Das ist dein Glitch. Du hältst diesen Filter für die Realität.

Dein Cockpit ist kein Rennwagen. Es ist der Konferenzraum, der Zoom-Call, die Konversation in der Kaffeeküche. Und doch führst du einen permanenten Kampf. Der entscheidende Gegner, dessen Wahrnehmungs-Loop es zu durchbrechen gilt, sitzt nicht in einer anderen Abteilung.

Er ist dein eigenes, veraltetes Weltbild. Eine Sicherheitslücke, die dich daran hindert, die Realität klar zu sehen.

Die Mission ist nicht, diesen Filter zu löschen. Das ist nicht möglich. Die Mission ist, ihn als das zu behandeln, was er ist: das primäre Operationsziel.

Das ist der Loop vor dem Loop. Ihn zu drehen, ist kein Slogan für das nächste Quartals-Meeting. Es ist die einzige Operation, die deine Handlungsfähigkeit in einem Spiel sichert, dessen Regeln sich permanent ändern.

Die eigentliche Arbeit findet nicht auf der Strecke statt, sondern in der Werkstatt.