PR 13: Protokoll gegen die Schwerkraft des Charismas

Protokoll

Zwei Akteur:innen legen dir eine Einschätzung vor. Inhaltlich sind die Aussagen deckungsgleich. Akteur A präsentiert seine Analyse geschliffen, souverän, ästhetisch ansprechend. Akteur B liefert seine mit brüchiger Stimme und schlecht formatierten Folien. Sei ehrlich zu dir selbst: Wessen Aussage gibst du initial mehr Gewicht?

Das ist der Glitch. Dein System nutzt die Schwerkraft des Charismas, eine energieeffiziente Heuristik, die Politur mit Kompetenz gleichsetzt. Du folgst ihr ohne bewussten Energieaufwand.

Betrachte das Manöver zweiter Ordnung. Akteur B, der in der Sache kompetent, aber in der Form unsicher ist, legt ein fundiertes Argument vor. Akteur A, der Charismatiker, neutralisiert es mit einem schlichten, aber souverän vorgetragenen: „Nein.“ In den meisten Systemen gewinnt Akteur A, weil er den Glitch im Betriebssystem der Zuhörer:innen als Waffe einsetzt. Er zielt auf die Ästhetik der Macht.

Dieses Protokoll dient der Inventur deiner eigenen Anfälligkeit für diese Form der operativen Korruption. Die operative Frage lautet: Wie hoch ist der Grad der Vereinnahmung deines Urteils durch Charisma?

Deine Gegensteuerung ist eine bewusste Sabotage deines Autopiloten.

  • Der Grundsatz: Behandle Charisma als Rauschen.
  • Die Praxis: Gib der spröden, schlecht verpackten Information einen systematischen Vertrauensvorschuss. Zwinge dich, die Energie aufzuwenden, die ungeschliffene Substanz zu prüfen, gerade weil sie unattraktiv verpackt ist. Nutze das Unbehagen, das du dabei empfindest, als Sensorium dafür, dass du gegen deine eigene, fehleranfällige Programmierung arbeitest.

Der Zweck der Übung ist die Wiederherstellung deiner Zurechnungsfähigkeit. Wenn du nicht aktiv deine Sensorik kalibrierst, wirst du zur passiven Beute für die Sensorik anderer.