Ich mag keinen Lärm und Unordnung im weitesten Sinne, nicht nur akustisch und visuell. Das bezieht sich auch auf Dinge wie Anzeigetafeln oder bedeutungslose Floskeln, auf Kitsch, Klamotten, Musik und besonders auf den eigenen Geisteszustand. Für mich legen sie sich auf und verschleiern die Essenz der Dinge. Das Entfernen von Lärm und Unordnung – minimalistisch agieren – bedeutet deshalb allerdings nicht das Streben nach Einfachheit. Sehr komplexe Dinge können minimalistisch sein, und nicht alles Einfache ist minimalistisch.
Minimalismus bedeutet daher nicht, Dinge zu vereinfachen oder gar zu verdummen, sondern nur so viel von ihnen zu nehmen wie möglich: Gerade genug ist mehr. Ein gut konzipiertes Netzwerk wird minimalistisch in seinen Prinzipien sein, und das Ergebnis kann dabei sehr komplex werden. Eine gut gestaltete minimalistische Benutzeroberfläche bietet gerade genug Möglichkeiten um sie einfach und zugänglich zu machen, und erlaubt uns Benutzer:innen dabei so viel wie möglich zu tun, ohne durch Vereinfachung Kernfunktionalität zu entfernen.
Minimalismus in seinem Herzen dreht sich darum, um zum Kern, der Natur der Dinge, der Essenz, nahezukommen, zu verstehen, was dabei hilft, ihn ergänzt, oder auch das Gegenteil: was Ballast hinzufügt, Geräusch, Unordnung, Ablenkung.
Darum habe ich zum Beispiel keine „Sammlungen“ irgendeiner Art, die nur eine Anordnung von Anhäufungen von Dingen zu einem bestimmten Thema sind, eine bedeutungslose Wiederholung, die überwiegend nicht an Wert und Inhalt hinzufügt, sondern nur persönlichen Gewohnheiten und Vorlieben entgegenkommt.
Bei einzelnen Gegenständen überlege ich mir, ob sie „nur“ ein Wohlgefühl ausstrahlen, oder ob ich mit ihnen etwas verbinde – das sehr abstrakt sein kann. Ich versuche mich mit Gegenständen zu umgeben, die mich nicht an ein bestimmtes Ereignis erinnern, sondern mich in einen bestimmten Geisteszustand versetzen, in dem ich gerne sein möchte oder an dem ich arbeiten muss.
Wenn ich von meinem Schreibtisch hochschaue und zu meiner Linken sehe, sehe ich ein Whiteboard an der Wand – etwas, das sehr minimalistisch ist, und definitiv meinen Geisteszustand ändert. Nur durch Ansehen stelle ich mir etwas vor und habe Freude daran, Pläne zu visualisieren, Verbindungen zu entdecken, und auch strategisch in die Zukunft zu schauen. Zu meiner Rechten befindet sich zum Beispiel eine Uhrenamatur, die ich mal gebaut habe, auf der ein paar wenige Uhren liegen, und mich ständig daran erinnern, wie kostbar Zeit ist, und wie möglichst individuell und wenig fremdbestimmt sie geplant und verbracht werden sollte. Direkt links vor mir auf meinem Schreibtisch liegt ein Notizbuch, das mich ähnlich einnimmt: das Gefühl, etwas abzuhaken und die Bestätigung, etwas abgearbeitet zu haben. Statt eines Stifthalters habe ich eine Art Schale mit so wenig Stiften wie möglich, und weiter auf dem Schreibtisch nur noch Keyboard und Maus, um eben Dinge zu erledigen.
Derzeit versuche ich mich auch an minimalistischer Kunst, die meiner Definition von ihr widerspiegelt: einer leeren Plexiglasbox, die „nichts“ beinhaltet, und einem 3D-Druck eines Romanesco-Kohls. Die Box repräsentiert das tatsächliche Nichts und wie sich unser Universum vielleicht daraus selbst erschaffen hat, noch tut, und anderen wundersam erscheinenden Dingen; der Romanesco spiegelt das Prinzip der Chaos-Theorie wider, und wie sie zu dem Universum geführt haben mag, wie wir es kennen.
Minimalismus bringt mich dazu, mich ständig zu fragen, ob ich etwas wirklich brauche, oder ob ich eine Situation nur bewerte, statt mich mit der Situation selbst auseinanderzusetzen. Überwiegend bedeutet das, von Dritten erschaffenen Verlangen bewusst zu begegnen, die keinen Zweck erfüllen oder keine Bedeutung haben:
Minimalismus ist das Entfernen von Lärm und Ablenkung aus dem Leben und dabei zum Wesen der Dinge zu gelangen.