FN 2: Die Geister-Armee

Die Präsentation ist zu Ende. Die Strategie verabschiedet. Das Ziel kühn, der Plan logisch. Alle nicken. Und in der kurzen Stille, die darauf folgt, hängt eine Frage, die niemand stellt:

„Wer genau macht das eigentlich?“

Wir sprechen nicht über die Zahl in der HR-Software oder die Auslastungsgrafik. Wir sprechen über echte Menschen. Haben sie den Kopf frei? Die Energie? Oder existiert die Armee, die diese Schlacht schlagen soll, nur als Fiktion im Strategiepapier?

Es ist ein Glitch im Betriebssystem der Organisation. Ein Signal, dass wir eine Fähigkeit perfektioniert haben: die Realität menschlicher Kapazität bewusst zu ignorieren. Wir behandeln sie wie eine abstrakte, beliebig verschiebbare Ressource. Wir bemannen Pläne mit einer Geister-Armee – einer Truppe, die auf dem Papier immer dann existiert, wenn eine neue Initiative entsteht, aber nie, wenn die Arbeit getan werden muss.

Dieser Glitch ist Methode, eine aktive Schutzfunktion. Das System wehrt sich nicht gegen den neuen Plan. Es wehrt sich gegen die Konsequenz eines echten Plans: den schmerzhaften Konflikt der Priorisierung. Etwas nicht zu tun, gilt als Schwäche oder Illoyalität. Also planen wir, als gäbe es keine Grenzen, und schützen damit die kollektive Illusion von Allmacht und harmonischem Konsens.

Das ist ein katastrophales Versagen der Orientierung. Indem wir die interne Realität – die tatsächliche, endliche Kapazität unserer Leute – ausblenden, wird unser OODA-Loop zur Echokammer. Jede darauf aufbauende Entscheidung ist kontaminiert, jede Handlung erzeugt mehr Reibung als Wirkung.

Die Intervention liegt deshalb in einem Manöver, das die Immunreaktion des Systems für alle sichtbar macht. Die Tabellen werden lügen, solange der Anreiz dafür besteht. Die Intervention ist ein Manöver, das die Immunreaktion des Systems für alle sichtbar macht. Ein Payload, der aus zwei simplen, radikal ehrlichen Fragen besteht:

  1. Wer? Welcher konkrete Mensch mit Namen und Gesicht übernimmt die Führung hierfür?
  2. Wofür? Welche drei Dinge lässt diese Person dafür ab sofort liegen?

Die zweite Frage ist der eigentliche Kern des Manövers. Sie zwingt das System, Opportunitätskosten nicht als abstrakten Begriff, sondern als konkreten, spürbaren Verzicht zu verhandeln. Sie durchbricht die beruhigende Fiktion der Planung und erzwingt die anstrengende Realität der Entscheidung.

Das ist der Hebel. So verwandelst du eine Geister-Armee wieder in ein Team aus echten Menschen und einen halluzinierten Plan in eine Strategie, die mit der Realität verbunden ist.


Danke an Patrick Riedl für die initiale Fragestellung und die ergänzenden Hinweise.