FN 13: Schönes Bild, falscher Frame
Dein Urteil ist eine Fälschung.
Du hältst es für das Ergebnis einer rationalen Abwägung, aber es ist meist nur das Echo eines vorinstallierten Frames. Bevor du eine Idee, eine Person oder eine Strategie bewertest, hat dein Operating System
die entscheidenden Weichen bereits gestellt.
Die Beobachtung: Ein abstraktes Gemälde in einem Bürofenster wirkt charmant. Dasselbe Werk in einer Galerie für zeitgenössische Kunst: prätentiös und banal. Das Bild ist identisch. Der Frame, in dem es gerendert wird, hat sich verändert. Dieser Effekt ist mehr als ein trivialer Wahrnehmungsfehler; er ist ein fundamentaler Glitch
im menschlichen Betriebssystem, ein Exploit, der permanent gegen dich läuft.
In der Kognitionswissenschaft nennt sich das predictive coding. Die Funktion deines Gehirns transzendiert die einer passiven Kamera, die Realität aufzeichnet; es ist eine Vorhersagemaschine, die Wahrnehmungslücken mit dem füllt, was sie zu sehen erwartet. Es filtert die Realität, bevor du sie bewusst zur Kenntnis nimmst. Das ist die Quelle für operative Hinterhalte wie den Halo- und Horn-Effekt. Eine Idee vom CEO: visionär. Dieselbe Idee vom Praktikanten: naiv.
Wir glauben, eine faire, objektive Bewertung vorzunehmen. Tatsächlich bestätigen wir nur unbewusst den Frame, den der Status, der Ort oder die Herkunft vorgegeben hat. Weil der Prozess unterhalb deiner Wahrnehmungsschwelle abläuft, tarnt er sich als neutrales Urteil. Du denkst nicht: „Ich bewerte das hart, weil der Kontext mich dazu zwingt.“ Du denkst: „Das ist einfach nicht gut.“
Der Frame tarnt sich als Urteil.
Die meisten leben und sterben in diesem Gefängnis. Die operative Arbeit fängt mit dem Wechsel von der Bewertung des Bildes zur Manipulation des Frames an. Der Frame wird zum Interface
. Wer den Mechanismus versteht, kann den Code
des Kontexts überschreiben.
- Eine Führungskraft, die den Horn-Effekt versteht, gestaltet Einstellungsgespräche nicht, um Vorurteile zu vermeiden. Sie provoziert gezielt Informationen, die den ersten Eindruck widerlegen.
- Ein Team, das eine Lösung ablehnt, weil sie „nicht von uns“ ist, führt eine bewusste Rotation des Problems durch: „Stellen wir uns vor, unser größter Konkurrent würde das tun. Wäre es dann brillant?“
Das ist kein psychologischer Kniff. Das ist eine Reframing
-Operation.
Der Moment, in dem du realisierst, dass der Frame dein Urteil formt, gibt dir den Hebel. Du hörst auf, nur im Spiel mitzuspielen, und fängst an, die Regeln des Spiels zu verändern. Das abstrakt-generische Gemälde hängt immer noch hinter Glas.
Aber der Frame ist vom Gefängnis zum Werkzeug geworden. Dieser Akt des klaren Sehens ist die Installation von Agency
.