FN 38: Der Cargo-Kult der Transformation

Feldnotiz

Das Budget ist sechsstellig, die PowerPoint glänzt. Die besten Leute sind an Bord für das, was „Transformation“, „New Work“ oder „Systemwandel“ heißt. Doch unter der Oberfläche der Buzzwords spürt jeder im Raum das Vakuum. Eine Stille, die verrät: Wir vollziehen ein Ritual, ohne an seine Wirkung zu glauben.

Das ist kein Glitch, sondern das Betriebssystem bei der Arbeit. Wir besitzen die Blueprints für Kathedralen, haben aber verlernt, wie wir einen Stein auf den anderen setzen. Wir inszenieren Fortschritt, beklatschen die Qualität der Inszenierung und befördern den Zeremonienmeister zum Chief Transformation Officer.

Das ist der Cargo-Kult unserer Zeit. Mit Bambusantennen rufen wir nach den Flugzeugen der Innovation. Das ist der Moment, in dem du auf deine Hände blickst und erkennst: Dein perfekt formuliertes Status-Update ist eine weitere Bambusantenne. Deine Kompetenz, „Stakeholder zu managen“, wird zur Komplizenschaft im Ritual.

Das Manöver in diesem Gelände ist keine Flucht. Es ist Infiltration.

  1. Diagnose: Das Ritual als Datenstrom. Widerstehe dem Impuls, die Leere mit dem nächstgrößeren Narrativ zu füllen. Dekodiere das Ritual: Jedes Meeting ohne Ergebnis, jede verdampfte Absicht ist ein Datenpunkt, der die echten Loyalitäten und die Physik des Systems offenbart. Deine Teilnahme ist keine Kollaboration, sie ist Informationsgewinnung.
  2. Infiltration: Die Zelle der Zurechnungsfähigkeit. Du steigst nicht aus. Du baust einen Brückenkopf im Inneren. Eine kleine, isolierte Zelle, in der Zurechnungsfähigkeit gelebt wird: Ein einziges Meeting, in dem die Frage „Was, wenn wir damit komplett falschliegen?“ nicht als Angriff, sondern als wertvolle Information behandelt wird. Ein Ort, an dem Zweck nicht deklamiert, sondern durch gelebte Gewohnheiten der Zusammenarbeit zurückerobert wird.
  3. Härtung: Die Zelle überlebensfähig machen. Diese Zelle lernt, strategisch zu überleben. Sie spricht die Systemsprache nach außen, während sie intern nach eigenen Regeln operiert. Sie muss lernen, die Energie des Cargo-Kults zu nutzen, um nicht von der nächsten Welle des wohlmeinenden Aktionismus weggespült zu werden. Hier findet das eigentliche Spiel statt.

Die Suche nach dem Masterplan ist der eleganteste Weg, die Verantwortung für den nächsten Schritt zu vermeiden. Die große, allumfassende Erzählung ist vorbei. Sie kommt nicht zurück.

Die abstrakte Frage, was getan werden sollte oder was „wir“ als Kollektiv bauen, wird durch die einzig relevante Frage auf diesem Terrain ersetzt: Was baust du?