FN 69: Kennst du dein Werkzeug oder kennt es dich?
Feldnotiz
Wir reden zu viel über Frameworks und zu wenig über Werkzeuge.
Schlimmer noch: Wir reden über sie, als wären sie Teil unserer Identität. SCRUM Master, SAFe Agilist, Design Thinking Facilitator. Die Zertifikate an der Wand, die Akronyme im LinkedIn-Profil. Wir jagen dem nächsten Werkzeug nach, sammeln es wie eine Trophäe und glauben, eine größere Auswahl bedeute größere Fähigkeiten.
Das ist eine nützliche Illusion. Nützlich für jene, die Werkzeuge und Zertifikate verkaufen, nicht für jene, die sie meistern sollen.
Meisterschaft liegt nicht in der Breite deines Werkzeugkoffers, sondern in der Tiefe deiner Beziehung zu einem einzigen Werkzeug. Kreativität entsteht nicht aus endlosen Optionen; sie entzündet sich an den Wänden einer präzise definierten Box. Wenn du an die Grenzen deines Werkzeugs stößt – an die echte, physische Grenze, nicht die im Handbuch beschriebene – fängt dein Gehirn an, anders zu arbeiten. Die Beschränkung zwingt dich, es über seine vorgesehene Funktion hinauszutreiben. Du lernst seine Toleranzen, seine Bruchstellen, seine verborgenen Potenziale.
Du wendest das Werkzeug nicht länger auf das Problem an. Du durchschaust, wie das Werkzeug deine Wahrnehmung des Problems geformt hat.
Oberflächliche Kenntnis liefert lineare Ergebnisse. Eine Verbesserung um 10 %. Einen effizienteren Prozess. Tiefe hingegen ermöglicht nicht-lineare Durchbrüche. Sie führt zu der einen Frage, die den gesamten Prozess obsolet macht.
Miyamoto Musashi verstand das. Für ihn waren der Weg des Schwertes und der Weg des Pinsels keine getrennten Disziplinen. Sie waren zwei Ausprägungen desselben Weges – des Weges der absoluten Präzision, der Ökonomie der Bewegung und des tiefen Verständnisses für das Instrument. Die Prinzipien, die einen Pinselstrich perfekt machen, sind dieselben, die einen Schwerthieb tödlich machen.
Er musste keine zwanzig verschiedenen Waffen meistern. Er musste den Weg meistern. Das Werkzeug war nur der Fokuspunkt, um die universellen Prinzipien zu entdecken.
Sammle keine Werkzeuge. Wähle eines. Lerne seine Gesetze so gut, dass du sie bewusst brechen kannst. Finde den Punkt, an dem dein Werkzeug nicht mehr funktioniert.
Genau dort fängt deine Arbeit an.