FN 82: Das Mitigationstheater

Feldnotiz

Wir sind Experten darin geworden. In der Diskussion über neue Technologien, insbesondere KI, hat sich ein Standardprotokoll etabliert. Die Konversation springt fast reflexartig von der Möglichkeit zur Risikobewertung. Die operative Frage ist nicht mehr „Was kann das System leisten?“, sondern „Wenn das System versagt, welche operativen Abwehrmaßnahmen haben wir installiert?“.

Das klingt nach professioneller Sorgfalt. Es ist oft das Gegenteil: ein perfekt inszeniertes Theaterstück zur Beruhigung des eigenen Nervensystems. Ein Ritual, das Aktivität simuliert, wo eigentlich die Konfrontation mit einer fundamentalen Schwäche im Kern des Produkts oder der Strategie stattfinden müsste.

Das ist der Glitch: Wenn die Energie eines Systems stärker auf die Verwaltung seiner eigenen Fehler als auf die Erfüllung seines Zwecks gerichtet ist. Die endlosen Meetings über Risikomatrizen, die Taskforce zur ethischen Implementierung eines Tools, von dem intern niemand glaubt, dass es sein Kernversprechen einlöst – das sind die Symptome.

Die provokante, fast triviale Gegenfrage – „Oder wir bauen etwas, das funktioniert?“ – ist hier kein Zynismus. Es ist ein Skalpell. Ein diagnostischer Schnitt, der die verborgene Logik des Systems freilegt: Es ist für viele Akteur:innen rationaler und karrierefördernder, sich an der komplexen Verwaltung eines Problems zu beteiligen, als das Risiko einzugehen, seine einfache, aber unbequeme Ursache zu beheben.

Ein Caveat: Der Fokus auf Mitigation ist keine Pathologie, sondern Mandat, wo Scheitern absolut ist – der Reaktor, der Airbag. Der Glitch ist die Anwendung dieser Hochsicherheits-Logik als Ausrede für die Reparatur reversibler Probleme.

Das verschiebt die Frage, ob du einen Plan zur Mitigation hast, dahin, ob dein Mitigation-Plan eine Fassade ist, die das eigentliche Problem schützt.