FN 106: Global ist nicht planetar

Feldnotiz

Wir verwechseln ständig die Karte mit dem Terrain. Einer der fundamentalsten Glitches in unserem Betriebssystem ist die Annahme, „global“ und „planetar“ seien Synonyme. Das ist ein Irrtum mit operativen Konsequenzen.

Das Globale ist ein menschliches Konstrukt. Eine Projektion. Es ist die Welt, wie sie in den letzten 500 Jahren durch Imperien, Kapitalismus und Technologie auf eine für uns lesbare Karte gezeichnet wurde. Auf diesem Interface, mit dem wir interagieren, steht der Mensch im Zentrum.

Das Planetare ist die Physik, die unter dem Interface läuft. Es ist die geobiologische Tiefengeschichte, gemessen in Äonen, nicht in Quartalsberichten. In diesen Logfiles sind wir ein verspäteter, zufälliger Eintrag.

Unsere Fixierung auf globale Lösungen ist ein Symptom dieses Glitches. Wir versuchen, das Betriebssystem mit Patches zu reparieren, die für das User-Interface geschrieben wurden. Wir fragen, ob die Menschheit nachhaltig wirtschaften kann. Die planetare Physik hingegen berechnet die Bedingungen, unter denen ein System eine ressourcenintensive, instabile Zivilisation auslöscht. Die Antwort ist keine moralische Abwägung. Sie ist eine Berechnung.

Die militärstrategische Linse schärft diese Unterscheidung. Das Globale ist die doktrinäre Karte des Generalstabs, die erwartete Manöver zeigt. Das Planetare ist das Terrain selbst: Wetter, Seuchen, die unpassierbare Schlucht, die auf keiner Karte verzeichnet ist. Das Terrain agiert im „Kriegsnebel“ und hat keine Agenda. Strateg:innen, die nur auf die globale Karte starren, werden von der Realität geschlagen, noch bevor Gegner:innen das Schlachtfeld betreten. Planetare Kräfte sind ein Terrain-Effekt, der die Logistikketten zerreißt und die Planung obsolet macht.

Die Erkenntnis der planetaren Indifferenz ist keine Einladung zur Demut, sondern eine operative Korrektur. Sie kalibriert die fundamentalste Annahme unseres Betriebssystems: die Trennung von menschlicher Geschichte und der Geschichte des Planeten. Diese Unterscheidung aufzugeben, ist die Voraussetzung, um unsere Rolle nicht als Meister:innen des Systems, sondern als dessen Teil zu begreifen.