FN 118: Das Kaliber der Frage
Feldnotiz.
Wir haben eine fast pathologische Beziehung zur „Antwort“. Wir bezahlen Consultants dafür, sie zu liefern. Wir erwarten von Führungskräften, dass sie sie haben. Die Antwort ist das Artefakt der Kontrolle, der Beweis von Kompetenz.
Das ist ein Glitch
.
In Problemen zweiter Ordnung ist die gelieferte Antwort nicht die Lösung. Sie ist ein Fremdkörper, den das System entweder abstößt oder, schlimmer, assimiliert und neutralisiert. Die perfekt ausgearbeitete Strategie, die „klare Ansage“, der 10-Punkte-Plan: Das sind Inputs, die das bestehende Betriebssystem mit seiner verborgenen Logik füttern. Deine Lösung wird zur Nahrung für das Problem. Sie schafft die Illusion von Fortschritt, während die zugrunde liegende Pathologie metastasiert.
Die Obsession mit der Antwort ist ein Symptom für einen Mangel an Agency
. Es ist der Versuch, die Komplexität des Terrains mit einer Landkarte aus dem Lehrbuch zu überschreiben. Das funktioniert, bis die erste unerwartete Kurve kommt.
Ein operativer Wechsel erfordert eine Kalibrierung der Diagnostik. Das primäre Werkzeug ist nicht die Antwort, sondern die Frage. Aber nicht irgendeine Frage. Keine offene, wohlmeinende Coaching-Frage, die auf Konsens zielt. Das Ziel ist eine Frage als chirurgisches Instrument. Die Frage, die präzise genug ist, um das Gewebe zu durchtrennen, das dysfunktionale Loyalitäten zusammenhält. Die Frage, die das System zwingt, seine eigenen Widersprüche preiszugeben.
Das fühlt sich nicht wie Beratung an. Es fühlt sich wie eine Intervention an. Der Fokus verschiebt sich von der Lieferung eines externen Plans zur Installation einer internen Fähigkeit: der Fähigkeit des Systems, seine eigenen Glitches
in Echtzeit zu diagnostizieren und zu beheben.
Peter Block hat recht: Keine Technik ist relevant, wenn die Beziehung versagt. Die hier relevante Beziehung ist aber nicht die zu externen Helfer:innen. Es ist die Beziehung des Systems zu sich selbst. Erfolg ist, wenn Patient:innen vom OP-Tisch aufstehen und das Skalpell selbst führen können.
Das stellt alles infrage, was wir über Effizienz zu wissen glauben. Es tauscht den schnellsten Weg zu einem PowerPoint-Deck gegen den direktesten Weg zu Agency
und Alignment
.
Zwei Fragen zur Selbstdiagnose:
- Wie würde sich die Dynamik in deinem wichtigsten Meeting verändern, wenn das Ziel nicht wäre, eine Antwort zu finden, sondern die bestmögliche Frage zu formulieren?
- Was wäre, wenn du externe Akteur:innen nicht danach bezahlst, wie viele ihrer Antworten du umsetzt, sondern danach, wie viele ihrer Fragen du nicht mehr brauchst, weil du sie dir selbst stellst?