PR 39-1: Protokoll der Mimesis und des Status: Kartierung (Teil 1 von 3)

Protokoll

Die Jagd auf den eigenen Status- und Mimesis-Trieb ist ein Theater der Kuriositäten; die Verfolgung eines Schattens mit einer Taschenlampe. Die Momente, in denen du die Konturen deiner eigenen Programmierung erkennst, sind so selten, dass du alles stehen und liegen lassen solltest, um sie zu erfassen.

Das hier ist ein solches Protokoll. Es kartiert die zwei fundamentalen, unsichtbaren Gravitationskräfte, die einen Großteil deines sozialen Handelns bestimmen.

Die Reaktion deines Betriebssystems auf diese Kräfte ist ein defensiver Glitch. Er klingt ungefähr so:

„Mein Handeln ist das Ergebnis rationaler, autonomer Entscheidungen. Ich bin der souveräne Herr meiner Wünsche.“

Das ist die Romantische Lüge. Eine kognitive Verzerrung, die verhindert, dass du die Architektur deiner eigenen Motivation erkennst. Dieses Protokoll ist der Exploit, um diese Schutzsoftware zu umgehen.

Die Kartierung des Operationsgebiets

Kraft 1: das Status-Spiel

Wir sind biologisch für das Status-Spiel fest verdrahtet. Jede deiner sozialen Interaktionen ist eine Transaktion im unerbittlichen Prozess der Verteilung von Status. Status reduziert sich hier auf seinen Kern: einen neurologischen Rohstoff. Es ist der Grad an Respekt, Einfluss und Wichtigkeit, den du in den Augen deiner relevanten Mitspieler:innen besitzt. Der Entzug dieses Rohstoffs destabilisiert die Psyche – was de Botton als Statusangst beschreibt: die Furcht, ein bedeutungsloser „Niemand“ zu sein.

Dieses Spiel hat drei primäre Modi (nach Storr). Sie zu kennen, ist das diagnostische Handwerkszeug.

  1. Das Dominanz-Spiel: Status wird durch Einschüchterung, Furcht oder Zwang erbeutet.
  2. Das Tugend-Spiel: Status wird durch die Zurschaustellung moralischer Überlegenheit und die Einhaltung eines rigiden Kodex verdient.
  3. Das Erfolgs-Spiel: Status wird durch sichtbare Kompetenz und das Erreichen definierter Ziele erlangt.

Kraft 2: die Mimesis-Maschine

Deine Wünsche sind größtenteils nicht deine eigenen. Sie sind kopiert. René Girards Konzept der Mimesis beschreibt diesen Mechanismus: Wir begehren, was andere begehren. Unsere Wünsche werden uns von Modellen vermittelt. Diese Modelle operieren in zwei Zonen (nach Burgis).

  1. Celebristan (externe Mediation): Die Modelle sind von dir durch Status, Zeit oder Raum unüberwindbar getrennt. Die Imitation ist hier ungefährlich und oft kreativ.
  2. Freshmanistan (interne Mediation): Hier operieren die gefährlichsten Modelle – Kolleg:innen, Nachbar:innen, Rival:innen. Der Abstand ist minimal. Sobald du ihr Verlangen kopierst, wird das Modell zum Rivalen. Das ist die Kernschmelze der Statusangst.

Das Protokoll der Inventur

Bevor du handeln kannst, musst du sehen. Nutze diese Anleitung als Nachtsichtgerät für die Schattenjagd.

  • Kartiere deine Spiele: Was sind deine drei primären Status-Spiele (beruflich, privat, sozial)? In welchem Modus (Dominanz, Tugend, Erfolg) werden sie hauptsächlich gespielt? Welche Symbole definieren den Status in jedem Spiel?
  • Identifiziere deine Modelle: Wer sind deine drei wichtigsten Modelle in Celebristan? Wessen Verlangen kopierst du hier produktiv? Und, entscheidender: Wer sind deine drei wichtigsten Modelle in Freshmanistan? Wo spürst du den Stachel der Rivalität? Wessen Erfolg stört dich? Wessen Niederlage verschafft dir eine heimliche, schmutzige Befriedigung?

Sei bei der Beantwortung unerbittlich ehrlich. Das Unbehagen, das du bei der Inventur von Freshmanistan spürst, ist das Signal. Es ist der Datenstrom, der die Wahrheit über die Konfiguration deines Systems überträgt. Das ist der erste Schritt bewusster Akteur:innen.


Dieser Text ist das erste von drei Protokollen zum Thema Mimesis und Status.