FN 83: Was für dich drin ist

Feldnotiz

Ein Gespenst geht um in der Welt der Effizienz und der schnellen Lösungen. Es ist das Mantra von Dale Carnegie: Menschen interessieren sich nicht für dich oder deine Firma. Sie interessieren sich nur dafür, was für sie drin ist. Der antizipierte Nutzen, die Transformation.

Das ist keine Lüge. Es ist die Physik vom transaktionalen, einfachen Spielfeld. Wenn du ein Produkt verkaufst und der Nutzen die Kosten übersteigt, findet eine Transaktion statt. Ein klares, lineares Spiel. Die meisten Ratgeber und Business-Bücher enden hier.

Die Probleme, die dich nachts wachhalten, gehorchen dieser Physik aber nicht.

Du erlebst das als einen Glitch: Eine brillante Strategie, die allen Beteiligten einen klaren Nutzen verspricht, versandet im Nichts. Ein Team, das objektiv vom Erfolg eines Projekts profitieren würde, blockiert es mit passiver Aggressivität. Hier führt die Frage „Was ist für sie drin?“ in die Irre. Sie impliziert, dass die Akteur:innen in einem rationalen, transparenten System agieren, während sie in Wahrheit in einem menschlichen System operieren.

Und die operative Frage ist nicht „Was ist der Nutzen?“, sondern „Welche verborgene Loyalität schützt das System hier?“. Die Antwort darauf ist selten der offensichtliche, offizielle Nutzen. Es ist der Schutz von Status, die Vermeidung von Gesichtsverlust, die Sicherung informeller Macht oder die Loyalität zu einer alten Abmachung. Das ist das zweite, unsichtbare Spiel, das dein Vorhaben assimiliert. Dein perfekt kalkulierter „Nutzen“ ist darin nur eine weitere Variable, die das System neutralisiert.

Stell dir eine ambitionierte Projektleiterin vor. Sie will einen neuen Prozess einführen, der allen im Team objektiv vier Stunden Arbeit pro Woche sparen würde. Ein klarer Nutzen. Sie präsentiert ihn perfekt und erntet nur Widerstand. Warum?

Weil ihr Prozess die informelle Macht eines erfahrenen Kollegen untergräbt, der sein Prestige aus dem alten, komplizierten System bezog. Sein „Was ist für mich drin?“ lautet nicht „+4 Stunden Zeit“, sondern „-20 Prestige-Punkte“. Indem er das Projekt sabotiert, leistet er seinen unbezahlten Zweitjob: die Aufrechterhaltung der unsichtbaren Ordnung.

Die triviale Frage ist: Was ist der Nutzen für dein Gegenüber?

Die operative Frage ist: Welches Spiel spielst du – und welches dein Gegenüber?